Ein Plädoyer für mehr Bürgerbeteiligung

von Günther Fesselmann  | 12.05.2011

 

Ja, es gibt ihn, den ewig meckernden Nörgler, der aus Prinzip gegen alles ist, was „die da oben" beschließen. Nein, er repräsentiert nicht die Mehrzahl der Bürger, die - oft über Parteigrenzen hinweg - Bürgerinitiativen bilden, um ihre Meinung da einzubringen, wo es um die Gestaltung ihres Lebensraumes geht.

 

„Über die Parteigrenzen hinweg" - das ist das entscheidende Merkmal demokratisch legitimierter Bürgerinitiativen im Gegensatz zu parteipolitisch dominierten „fünften Kolonnen", die vor den Karren einer bestimmten Partei gespannt werden. „Über die Parteigrenzen hinweg" - das heißt, nicht nach Parteibuch, sondern nach der persönlichen Einstellung und Interessenlage des einzelnen Bürgers bei Fragen, die in sein Leben hineinwirken.

 

Dabei sind Bürgerinitiativen im System der repräsentativen Demokratie formell überhaupt nicht vorgesehen. Gleichwohl geraten sie gerade in der letzten Zeit in den Focus der Öffentlichkeit. Die etablierten Parteien sollten die „echten", also nicht parteipolitisch manipulierten, Bürgerinitiativen nicht fürchten und bekämpfen, sondern als basisdemokratische Gesprächspartner begrüßen und ernst nehmen. Aus diesem Prozess können beide Seiten nur lernen. Er ist Ausdruck einer gesunden politischen Entwicklung. Die Protestierer von heute unterscheiden sich von den meist jugendlichen Krawalldemonstranten der 70er- und 80er Jahre. Ein Berliner Polizeisprecher nannte Fluglärm-Demonstranten „kultivierte Bürger, die ihren Protest friedlich artikulieren".

 

Die Kunst und die Aufgabe der Politik ist es, aus einem Gegeneinander ein in der Suche nach Lösungen vereintes Miteinander zu machen. 

Das ist für beide Seiten nicht leicht und erfordert Toleranz und einen neuen Umgangsstil, der erlernt und eingeübt werden muss.

 

In Bürgerinitiativen manifestiert sich der gemeinsame Wille, aufzubegehren, zu widersprechen und Widerstand zu leisten. Hier wird oft mit harten Bandagen gekämpft und für gewöhnlich keine Streicheleinheiten an die Politik verteilt. Wer sich mit ihnen auseinandersetzt, muss einen Hieb wegstecken können, selbst wenn dieser manchmal unter der Gürtellinie landet. Er muss Widerspruch verkraften können. Hier sei Hegel zitiert: „Nur weil es Widerspruch gibt, sind wir lebendig. Sonst wären wir tot, es würde sich nichts bewegen."

 

Ein gelungenes Beispiel bietet die Stadt Hamm. Sie hat für die Nutzung einer bergbaulichen Brachfläche die Entwicklungsinitiative „Im Westen was Neues" ins Leben gerufen und eine breite Öffentlichkeit - Vereine, Einzelhandelsorganisationen, Siedlergemeinschaften, Bürgerinitiativen usw. - an der Meinungsbildung beteiligt. Das Ergebnis ist ein Sport- und Naherholungsgebiet mit interreligiösem Begegnungszentrum. Für die erfolgreiche Bürgerbeteiligung erhielt Hamm den Preis „Soziale Stadt".

 

„Stuttgart 21" ist ein Gegenbeispiel für eine Planung „hinter verschlossenen Türen". Aber auch dort haben die Politiker gelernt, dass mehr und höhere Bürgerbeteiligung nicht lähmen, sondern beleben und fördern kann. Der Einsatz von Wasserwerfern ist kein Ausdruck von Gegenargumenten. Sie schaffen nur „Wutbürger".

 

Das sollte auch die etablierten Parteien in Neukirchen-Vluyn nachdenklich machen. Die Bürgerinitiativen „Initiative Vluyner Platz", „Rathhaussiedlung" oder „Kombibau" an der Tersteegenstraße zeigen, wie hoch das Potenzial des Bürgerengagements in Neukirchen-Vluyn ist.

Nicht zuletzt wurde Bürgerpräsenz in den Ausschuss- und Ratssitzungen der letzten 12 Monate eindrucksvoll demonstriert.

 

Ich meine, hier liegt eine Chance für eine gelungene kommunalpolitische bürgerfreundliche Zukunft.

 

(G. Fesselmann)